Die vielen Gesichter des Boreout


Jedem Boreout geht eine langanhaltende Unterforderung voraus. Nun könnte man meinen, Unterforderung ist gleich Unterforderung. So ist es aber bei weitem nicht. Um den Betroffenen gerecht zu werden, muss man jeden Fall differenziert betrachten, denn die Entstehungsgründe für Boreout sind sehr unterschiedlich und individuell.
Welche unterschiedlichen Voraussetzungen oder Wege in einen Boreout führen können, möchte ich in meinem August-Blog aufzeigen.


Boreout durch quantitative (zeitliche) Unterforderung

Frau W. hat bei einer Bundesbehörde als Quereinsteigerin gearbeitet. Sofort nach der Ausbildungszeit begann die Zeit des Nichtstuns. Für die hohe Anzahl an Mitarbeitern gab es schlichtweg nicht genug zu tun. Manchmal war die Arbeit bereits nach 60 Minuten erledigt. Das bedeutete sieben Stunden Langeweile. Aber das durfte natürlich niemand bemerken. Internet surfen, Buch lesen oder andere selbstgesuchte Alternativen waren verboten. Die Führungskräfte änderten nichts, obwohl diese mehrfach auf diesen Notstand hingewiesen worden waren. Mehr als zehn Jahre hielt Frau W. diesen Wahnsinn aus, bis sie sich Hilfe suchte.

Frau D. war bei einer Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Sie wechselte in eine Abteilung, in der es viel selbstverantwortliche Tätigkeitsbereiche gab. Die ersten Jahre war sie ausgefüllt und sehr zufrieden. Dann kam es durch nachlassende Aufträge zu einer geringer werdenden Auslastung - für diese Abteilungsstärke war einfach zu wenig Arbeit vorhanden. An der Struktur änderte sich jedoch nichts. Was bis zu dem Rückgang des Arbeitsvolumens noch nicht aufgefallen war: Die Leiterin der Abteilung konnte Arbeit nicht gut delegieren und sie kommunizierte die Veränderung nicht nach außen. Mit der Bitte um mehr Arbeit bekam Frau D. lediglich Aufgaben, wie Aktenschränke sortieren oder ähnliches. So steckte Frau D. mehrere Jahre im Boreout-Dilemma fest. Erst mit Hilfe eines Boreout Coaches konnte sie sich aus dieser Situation befreien.


​Boreout durch qualitative (fachliche) Unterforderung

Herr M. hatte Ingenieurwesen studiert und wollte hierüber seine Kreativität ausleben. Eine Stelle in der Entwicklung eines großen Autozulieferers schien ihm absolut passend, zumal hier auch eine hohe Arbeitsplatzsicherheit und ein entsprechend hohes Gehalt weitere Argumente lieferten. Nach der Einarbeitungszeit kam es allerdings ganz anders. Der Anteil an dokumentarischen Aufgaben wuchs mit den Jahren immer mehr an. Bisweilen machten er einen Anteil von über 60 % aus. Dies war für Herrn M. eine Katastrophe, denn diese Arbeit stand im krassen Widerspruch zu seiner Kreativität. Die administrativen Aufgaben waren ihm zuwider und legten seine kreative und gestaltende Seite teilweise komplett lahm. Im Betrieb wurde mit wenig Verständnis darauf reagiert. Mittlerweile war Herr M. der wirtschaftlich Verantwortliche in seiner Familie. Diesen Zustand hielt er jahrelang aus, bis er sich professionelle Hilfe holte.

Frau H. hatte eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich gemacht. Ihr fiel es sehr leicht Neues zu lernen und sich in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten. So war sie schon immer und deshalb suchte sie auch in ihrem Unternehmen, indem sie sich sehr wohl fühlte, immer wieder neue Herausforderungen. Das war aber nur bis zu einem gewissen Punkt möglich, da sie kein Studium absolviert hatte. Mit den Jahren fühlte sie sich mehr und mehr unterfordert und konnte diesen Zustand immer schlechter aushalten. Das ging bis zur psychischen Erkrankungen. Durch bestimmte Umstände machte sie einen Test für Hochbegabte. Das Ergebnis war ein weit überdurchschnittlicher IQ. Daraus wollte sie mehr machen, fand aber in ihrem Unternehmen keine Unterstützung dafür. Dies ließ sie in ein neues Loch fallen. Mit professioneller Hilfe arbeitete sie sich dort wieder heraus und entwickelte eine neue, berufliche Perspektive.


Boreout durch Mobbing

Frau N. ist eine hochqualifizierte Studienabgängerin, mit Auslandseminaren in den USA u.v.m. Im ersten Unternehmen nach ihrem Studium trat sie eine vielversprechende Stelle an. Leider war die Realität ernüchternd und sie fühlte sich sehr schnell unterfordert. Sie war aber ein sehr aktiver Mensch und versuchte neue Aufgabe zu finden, die sie teilweise auch fand. Ihr direkter Vorgesetzter war bis dahin eine Unterstützung für sie, Das änderte sich nachdem Frau N. die Avancen der Führungskraft nicht erwiderte und sie ihm klar machte, dass dies für sie überhaupt keine Option sei. Die Konsequenz war bewusstes Kaltstellen seitens des Leiters. Er gab ihr nur noch minderwertige Aufgaben, sie wurde denunziert und permanent negativ kritisiert. Dies führte zu einer massiven Abwertung ihres Selbstwertes. Irgendwann meinte Frau N. gar nichts mehr zu können. Sie blieb viel zu lang in diesem Unternehmen, sie hatte immer die Hoffnung, dass sich noch etwas ändern wird. Die Konsequenz war eine sehr lange psychische Erkrankung. Ohne professionelle Hilfe wär sie nie aus diesem Dilemma herausgekommen.

Frau L. ist ebenfalls hochqualifizierte Studienabgängerin. Ihr erster Arbeitsplatz schien perfekt zu ihrem Studium zu passen - das war auch tatsächlich so. Leider war ihr direkter Vorgesetzter kein Mensch, der gern delegierte. Außerdem konnte Frau L., aufgrund ihrer sehr guten Ausbildung viele Aufgaben besser oder zumindest effektiver bearbeiten als ihr Vorgesetzter. Das führte dazu, dass ihre Führungskraft ihr immer weniger anspruchsvolle Aufgaben gab. Frau L. sah als einzigen Ausweg die nächst höhere Instanz in ihrem Unternehmen anzusprechen. Die nächste höhere Vorgesetzte dort versprach zwar schnelle Verbesserung, aber es änderte sich nichts. Ihre Situation verschlimmerte sich noch. Denn die Vorgesetzte aus der nächst höheren Instanz informierte den direkten Vorgesetzten von Frau L. Auch Frau L. glaubte lange an eine mögliche Veränderung ihrer Arbeitssituation. Sie konnte nicht glauben, dass man so viel Knowhow nicht nutzen wollte. Die Konsequenz war auch hier eine langanhaltende psychische Erkrankung. Ein Boreout Coach kann in solchen Situationen schon viel früher helfen, damit kann sich jeder Betroffene viele Jahre des Leidens ersparen.


Das Phänomen Boreout ist sehr komplex

Es gäbe noch unendlich viele Beispiele, die die vielen Gesichter des Boreouts zeigen. Allen zusammen zeigen sie, wie unterschiedlich betriebliche Situationen sein können, die die Entstehung von Boreout begünstigen. Eine differenzierte Betrachtung fordert immer eine genaue Analyse der Einzelsituation. Wie sieht die persönliche Situation der Betroffenen aus? - Wie ist das Verhältnis der Führungskräfte zu den Untergebenen? - Gibt es eine Gesprächskultur? - Wie geht der Betrieb mit Konflikten um und noch viele Fragen mehr.

Wenn Sie jetzt ebenfalls Fragen haben, als Betroffene, als Führungskräfte oder als Betriebs -bzw. Personalrat, sprechen Sie mich bitte gerne jederzeit an.

Das Problem Boreout lässt sich lösen. Am besten gemeinsam.

Herzliche Grüße, Ihr

Stefan H. G. Duwensee